Yi Zhonghua ist ein Mann, der in Krisenzeiten schnell reagiert. Als er im Juni 2018 in Chatgruppen davon las, dass die Afrikanische Schweinepest sich nach China ausbreiten würde, eilte der Bauer zum Viehmarkt und verkaufte alle seiner hundert Schweine. Danach stellte er seinen Hof auf Hühnerzucht um. Dieses Mal war die Epidemie schneller als Yi. Zum Zeitpunkt, als erste Bauern in seinen Chatgruppen vor dem Coronavirus warnten, hatten die Behörden bereits die Viehmärkte in der Provinz Hubei geschlossen und die Straßen gesperrt. Seit einem Monat ist Yis Bauernhof von der Außenwelt abgeschnitten. "Zu essen hat meine Familie genug", sagt er am Telefon. Doch das Viehfutter sei aufgebraucht, ein Drittel seiner 10.000 Küken und Hühner seien verhungert. Bauern wie Yi und unzählige Unternehmer in der abgeschotteten Provinz Hubei und anderen Regionen der Volksrepublik stehen wegen der Corona-Krise vor dem Ruin. Yi schaltet sein Handy auf Videotelefonie um. Er zeigt eine Grube, in der er an diesem Morgen totes Federvieh aufgeschüttet hat. Die überlebenden Tiere seien abgemagert und damit unverkäuflich. Seinen Schaden schätzt er auf umgerechnet mehr als 20.000 Euro. Ersparnisse habe er nicht, auf Hilfe von der Regierung warte seine Familie bisher vergebens. Fünf Wochen nach dem Ausbruch der Krise stehen große Teile des Landes noch immer still – obwohl die Regierung die Bevölkerung offiziell seit dem 10. Februar dazu auffordert, zurück an die Arbeit zu gehen. In den Industriezentren an der Ostküste soll die Produktion in den Fabriken in diesen Tagen wieder anlaufen. Doch Wanderarbeiter und Angestellte kommen auch gut zwei Wochen nach Ende der Neujahrsferien nicht aus ihren Heimatorten weg, weil Straßen gesperrt sind, Züge und Flüge ausfallen. Großstädte wie Peking haben die Seuchenbekämpfungsmaßnahmen weiter verschärft und verlangen zum Beispiel von Rückkehrern, dass sie sich 14 Tage in Heimquarantäne begeben. Rund 760 Millionen Chinesen sind von Abriegelungsmaßnahmen betroffen, hat eine Analyse der New York Times ergeben. 150 Millionen Chinesen können nicht oder nur eingeschränkt ihr Zuhause verlassen. Eine einheitliche Strategie zur Eindämmung des Virus gibt es nicht, vielmehr wetteifern lokale Parteibosse im ganzen Land darum, gegenüber der Zentralregierung Emsigkeit zu demonstrieren. "Gerade außerhalb Hubeis, wo die Zahl der Erkrankten gering ist und weiter sinkt, sind viele Maßnahmen wenig sinnvoll", sagt Hu Xingdou, Ökonom am Pekinger Institut für Technologie. Lokale Kader steckten in der Zwickmühle: Staatschef Xi Jinping hat den "Krieg" gegen das Virus ausgerufen. Der damit einhergehende Stillstand im Land lähme jedoch zugleich die Wirtschaft. Die meisten Restaurants und Geschäfte bleiben weiter geschlossen, ebenso Kinos und Fitnessstudios. Der Inlandsflugverkehr in China ist seit Mitte Januar um 90 Prozent eingebrochen. Die Zahl der Flüge ins Ausland ist laut der Organisation für Internationalen Zivilluftfahrt um 80 Prozent zurückgegangen.